Ich suchte ein vielseitiges Stereo-Delay für elektronische Musik – sowohl für Studio-Produktionen als auch gelegentliche Live-Sets. Mein erster Versuch mit dem BOSS DD-8 war klanglich enttäuschend: solide gebaut, aber es fehlte an Breite und Musikalität. Nach intensiver Recherche, zahlreichen Testberichten und unzähligen YouTube-Videos fiel meine Wahl schließlich auf das Source Audio Nemesis Delay in der ADT-Version.
Das Source Audio Nemesis gibt es in zwei Varianten: die ursprüngliche Version mit rein digitalem Signalweg und die ADT-Variante mit analogem Dry-Signal. Der Unterschied? Beim normalen Nemesis wird das gesamte Signal digital verarbeitet, was minimale Latenzen, potenzielle digitale Klangfärbungen und Clipping bei zu hohem Eingangspegel bedeuten kann. Die ADT-Version hingegen führt das Dry-Signal analog und latenzfrei durch das Gerät, was einen natürlicheren Klang und unterbrechungsfreies Umschalten zwischen Effekten ermöglicht. Diese Verbesserung war mir den Aufpreis von rund 100 Euro wert.
Der Lieferumfang ist ordentlich: Neben dem Pedal selbst gibt es Aufkleber, eine Anleitung, ein USB-Kabel, ein Control-Kabel und ein platzsparendes Netzteil – ein zusätzliches Netzteil ist also nicht zwingend erforderlich. Anschlüsse sind in großer Zahl vorhanden: zwei 6,3mm-TRS-Klinken für Ein- und Ausgang (Stereo oder Mono), MIDI In/Thru, ein Anschluss für ein Expression- oder Schalterpedal (zum Wechseln der 4 Presets am Gerät), ein Control-Port sowie ein USB-Anschluss – leider als USB-Mini, was 2025 alles andere als zeitgemäß ist. Die Klinkenbuchsen sind verschraubt, die anderen wohl nur verlötet. Leider sitzen die Audio- und MIDI-Anschlüsse links und rechts am Gehäuse, was in der Praxis unpraktisch ist, da es das Kabelmanagement erschwert.
Die Inbetriebnahme ist einfach: Eingangssignal anschließen, Ausgangssignal herausführen, Strom verbinden – und los geht’s. Das Pedal startet standardmäßig im Dry-Mode. Effekt aktivieren, Tempo eintappen – fertig. Die Bedienelemente sind logisch aufgebaut, sodass sich erfahrene Delay-Nutzer sofort zurechtfinden. Bereits die Standardeinstellungen liefern brauchbare, teils beeindruckende Sounds.
Doch das volle Potenzial entfaltet sich erst mit MIDI-Synchronisation und über die kostenlose „Neuro“-Software. Dort erhält man Zugriff auf 100 Presets (statt nur 4 am Gerät) und kann sämtliche Delay-Engines und Parameter detailliert editieren. Die Vielzahl an Optionen ermöglicht extremes Sounddesign, aber die Software-Oberfläche ist nicht ganz so intuitiv wie die Bedienung am Pedal selbst. Zudem lassen sich die Hardware-Schalter mit eigenen Funktionen belegen, was einerseits praktisch ist, aber andererseits verwirrend sein kann – insbesondere, da das Gerät keine visuelle Rückmeldung zu den geladenen Presets gibt. Ein einfaches Display wäre hier eine große Verbesserung gewesen.
Klanglich ist das Nemesis überragend. Es bietet breite, dichte Delays mit hervorragenden Tape- und Analog-Emulationen. Die „Oil Can“-Emulation funktioniert hervorragend mit einer angezerrten 303, der Diffusion-Algorithmus erzeugt riesige, sphärische Räume, und die Tape-Simulation kommt erstaunlich nah an den Branchenprimus „El Capistan“ von Strymon heran – wenn auch nicht ganz auf dessen Niveau. Es gibt reichlich Modulationsoptionen, kreative Algorithmen und viel klangliche Tiefe.
Doch so beeindruckend der Sound ist, so enttäuschend ist die Software-Qualität des Pedals. Bereits nach wenigen Stunden gelang es mir, die Effekt-Engine reproduzierbar zum Absturz zu bringen. Wenn man beispielsweise im Diffusion-Algorithmus das Feedback auf 14 Uhr dreht, die Modulation und die Rate stark aufzieht, hängt sich das Pedal nach wenigen Minuten auf. Es bleibt dann nur noch das analoge Dry-Signal übrig – der Effekt verschwindet komplett, bis man ihn erneut aktiviert. Dasselbe passiert mit dem „Crushed Echos“-Preset bei extremen Einstellungen: Es fängt an zu kratzen, dann bricht das Effekt-Signal ab. Offenbar ist der DSP überfordert, und genau das hätte durch automatisierte Tests vor der Auslieferung vermieden werden können.
Diese Instabilität ist ein großes Problem. Ein Effektgerät muss vor allem zuverlässig sein. Ein Absturz während einer Studioaufnahme oder – schlimmer noch – einer Live-Performance kann katastrophale Folgen haben. Und leider tritt das Problem nicht nur bei einem Preset auf, sondern kann sich je nach Kombination von Parametern unterschiedlich äußern.
Das Source Audio Nemesis ADT hat das Potenzial, eines der besten Delay-Pedale zu sein. Klanglich und funktional erfüllt es meine Erwartungen und bietet extreme Vielseitigkeit. Doch die unzuverlässige Software untergräbt das Vertrauen in die Performance-Tauglichkeit des Geräts. Ich denke ernsthaft über eine Rücksendung nach – denn ein Effektgerät, auf das man sich nicht verlassen kann, ist für mich wertlos. Wer das Risiko dennoch eingehen möchte, erhält ein großartig klingendes Delay mit innovativen Features. Wer absolute Stabilität braucht, sollte sich jedoch nach Alternativen umsehen.
Vorteile
+ Hervorragender, breiter und vielseitiger Klang
+ Stereo-Delay mit analogem Dry-Signal (ADT-Version)
+ Viele kreative Algorithmen, darunter exzellente Tape- und Diffusion-Delays
+ Umfangreiche Editiermöglichkeiten über die Neuro-Software
+ MIDI-Integration und Expression-Pedal-Unterstützung
+ Solide Verarbeitung mit verschraubten Klinkenbuchsen
Nachteile
- Reproduzierbare Software-Abstürze bei bestimmten Einstellungen
- Veralteter USB-Mini-Anschluss
- Nur 4 Presets direkt am Gerät abrufbar
- Unpraktische Platzierung der Anschlüsse erschwert das Kabelmanagement
- Keine visuelle Anzeige des geladenen Presets (nur für die ersten 4) am Gerät